Die Geschichte der Liebeskrankheit

Evgenija Kovalenko

Die Geschichte
der Liebeskrankheit

Die Übersetzung Galina Andreevа

Handelnde Personen :
Tatjana Bobyleva — die junge Fernsehejournalistin
Oleg Kulikov — der junge Kameramann
Valentin Trigorin — der bekannte Dramatiker in mittlerem Alter
Roman Balbessov – der bekannte Regisseuer in mittlerem Alter
Anastassija Radova – die Schauspielerin, ein aufgehender Star
Ljalja – ein schцnes Mдdchen, ein “Pьppchen”
Aglaja — die Regisseursassistentin, scharmante Frau
Und auch: der Assistent des Kameramanns – ein Mann im Alter,
die Frau – Organisatorin, die Mutter, der Mann vom Kaukasus (30 Jahre alt),
der Freund — ein junger Mann,
der Minister des Gesundheitwesens, der Schauspieler, die schцne,
nicht mehr junge blonde Frau, das weinende Mдdchen.

Akt 1.

Tatjana Bobylewa:( mit dem Mikrophon in der Hand)
Puschkin war auch nur ein Mensch mit seinen Stдrken und Schwдchen. Das klingt vielleicht
banal, aber daran kцnnen nur Kinder glauben.
Tatjana Bobylewa, Oleg Kulikow. Nachrichten.
(Die Journalistin Tatjana Bobyleva spricht vor der Kamera, dann dreht sich zu ihrer Aufnahmegruppe um . Die Handlung spielt sich in der Ausstellung „ Puschkin –mit den Kinderaugen“ ab.)
Tatjana Bobylewa: Na, wie war’s? Wie sah ich aus?
Oleg: Ausgezeichnet!
Tatjana Bobylewa: Dabei war das mein erstes Mal vor der Kamera. Heute ist mein erster Tag als Journalistin. Eigentlich hab ich ja Astronomie studiert, aber ab jetzt bin ich tatsдchlich Reporterin.
Oleg: Na, wenn das so ist, musst du jetzt einen ausgeben.
Assistentin: Die heutige Jugend bringt mich noch um. Zu meiner Zeit hat man noch 100 Kьsse von der Prinzessin gefordert.
Oleg: Gut. 100 Kьsse von der Prinzessin.
Tatjana Bobylewa: Ab heute fang ich an, fьr dich eine Prinzessin zu suchen.
Organisatorin: Sind Sie vom Fernsehen? Hat man Ihnen alles gesagt? Haben Sie alle Interviews gemacht? Haben Sie auch mit dem Direktor der Schule gesprochen? Er sollte Ihnen erklдren, warum sich die Kinder Puschkin so vorstellen. Und auЯerdem sind heute eine Menge berьhmter Leute da.
Tatjana Bobylewa: Und wer genau?
Organisatorin: Valentin Trigorin.
Tatjana Bobylewa: Und wer ist das?
Organisatorin: Wissen Sie das nicht? Er hat das Drehbuch fьr „Herbstwolken“ geschrieben und nach seinem Drehbuch wurde „Anna Karenina“ verfilmt.
Assistentin: Und ich hatte mir immer eingebildet, Tolstoj hдtte Anna Karenina geschrieben.
Oleg: Zu Ihrer Zeit hat man das wohl gedacht.
Tatjana Bobylewa:(zu der Aufnahmegruppe) Jetzt kommt mein erstes Interview.
Oleg: Bei Trigorin.
Tatjana Bobylewa: Was gibt’s denn da zu lachen?! Fast ein Charakter aus Tschechows Zeiten.
Oleg: Das ist so was wie die 100 Kьsse der Prinzessin.
Tatjana Bobylewa:(kommt zum ihr entgegend gehenden Mann) Entschuldigung. Kцnnten Sie mir vielleicht sagen, wo ich Trigrorin, den berьhmten Dramatiker, finden kann?
Trigorin: Warum suchen Sie ihn?
Tatjana Bobylewa: Ich mцchte ein Interview mit ihm machen und ihn fragen, warum er hier ist.
Trigorin: Und Sie – warum sind Sie hier?
Tatjana Bobylewa: Ich bin Journalistin.
Trigorin: Und er ist Schriftsteller. Darf ich mich vorstellen? Valentin Trigorin.
Tatjana Bobylewa: Ach, entschuldigen Sie, bitte, das habe ich nicht gewusst. Kцnnten Sie bitte noch einmal vor der Kamera sagen, dass Sie Schriftsteller sind und …
Trigorin: Natьrlich kann ich das, aber es wдre besser, wenn Sie die Kinder fragen.(er wendet sich an den Kleinen) … Hallo! Warum sieht Puschkin auf deinem Bild wie ein Bett aus?
Kind: Puschkin hat so viel gearbeitet, so viel geliebt und so viel gelitten. Jetzt reden alle ьber ihn. Er muss sich doch ein bisschen erholen.
Fьnf Jahre spдter
(Auf dem Sofa liegen zwei Plьschtiere. Ein Mдdchen hat sich aufgehдngt. Wir sehen ihre Beine. Oleg ruft an, Tanja sitzt da und raucht.)
Oleg: Hallo! Ist da der Rettungsdienst?
O-3: Haben Sie einen Versicherungsschein?
Oleg: Es geht nicht um mich.
O-3: Ihr Name, bitte!
Oleg: Hцren Sie, ein Mдdchen hat sich erhдngt.
O-3: Rufen Sie bitte 0-2 an. Ihre Adresse bitte!
Oleg sagt die Adresse.
Tanja: Warum passiert jedes Mal etwas, wenn ich bei dir zu Besuch bin. Entweder ist dein Freund betrunken oder ein Mдdchen hat sich erhдngt … Rьhr sie nicht an! Die Syphilis kann ьber die Hдnde ьbertragen werden.
Oleg: Ьber Tote spricht man entweder gut oder …
Tanja: Das, was ich sage, ist gut, denn die Wahrheit ist immer gut. Das erhдngte Mдdchen mit der Syphilis ist doch ein Traummдdchen fьr jeden Mann. Sie ist ein Vorbild, dem man nacheifern muss. Sie gefiel den Mдnnern und war feinfьhlig.
Oleg: Ich verstehe es nicht. Warum hat sie es getan? Wir hдtten ihr doch helfen kцnnen. Ich hab doch nichts gewusst.
Tanja: Sie wollte wohl ihren Eltern – Diplomaten – das Leben nicht schwer machen. Aber ihr Zettel hat alles verdorben.
Oleg: Sprich nicht so ьber sie! Sie ist fьr mich wie eine Schwester.
Tanja: Warum bist du dann so spдt gekommen, Brьderchen? Ah, die Mediziner sind da. Jetzt reg dich nicht auf – eine Schwester mehr oder weniger spielt doch keine Rolle. Man muss aber unbedingt den Typen finden, der sie angesteckt hat. Er soll wenigstens das Begrдbnis bezahlen.
Beerdigung. Viele Leute.
Mama: Haben Sie meine Tochter gekannt? Ich dachte, es wдre besser, wenn sie ihre eigene Wohnung hat. Und wir – mein Mann und ich – haben ihr doch so oft etwas aus Berlin geschickt … Warum, warum nur?
Tanja: Worte helfen kaum. Nur die Zeit heilt.
Mama: Sie werden jetzt fьr mich wie eine Tochter sein. Oleg ist fьr mich wie mein Sohn. Er ist mit Marina aufgewachsen. Er hat doch bei uns gewohnt, als seine Eltern weg sind, und dann, als wir weg waren, dann wohnte Marina .(sie weint)..
Oleg:(umarmt sie) Mama! Weine nicht!
(Tanja sieht ihn bцse an und geht zur Seite. Trigorin beobachtet alles. Er hat sich stark verдndert und kleidet sich anders. Tanja bemerkt seinen Blick.)
Tanja: Sie kommen mir bekannt vor. Sind Sie mit Marina oder Oleg verwandt?
Trigorin: Nein. Sie wohl auch nicht, oder?
Tanja: Woher wissen Sie das?
Trigorin: Das sieht man an Ihren Augen.
Tanja: Sie haben Recht. Ich kann das alles nicht mehr sehen. Wo ist denn hier ein Ausgang?
Trigorin: Was fьr ein Ausgang? Vom Friedhof gibt es keinen Ausgang.
Tanja: Fьr die Lebenden schon. Seien Sie doch bitte nicht so melodramatisch!
Trigorin: Kein Melodram, eine Tragцdie. Nur fьr die ganz Lebendigen gibt es einen Ausgang.
Tanja: Fьr James Bond, der nur zweimal lebt.
Trigorin: Schlechter Witz, Tanetschka! Sie sind Journalistin. Sie haben hier auf dem Friedhof ein Leben, doch das zweite verlдuft vor der Kamera.
Tanja: Kennen wir uns?
Trigorin: Sie haben mich vor fьnf Jahren interviewt. Es war ihr erstes Interview. Und das hab ich mir gemerkt.
Tanja: So lange ist das schon her. Valentin Trigorin. Ich erinnere mich.
Trigorin: Im Vergleich zum Kosmos sind fьnf Jahre nicht so viel. Ein Kind lernt in dieser Zeit gehen und sprechen – das sind fast 90% aller Fertigkeiten des Menschen. Sie zum Beispiel haben das doch sehr gut gelernt.
Tanja: Das geht Sie nichts an. Ich heirate bald Oleg.
Trigorin: Sicher geht mich das nichts an. Trotzdem wьrde ich gerne Ihre Hand halten. Gehen wir durch das menschliche Gedдchtnis spazieren, an unseren Grдbern vorbei! Sie wollten doch frische Luft schnappen.
Tanja: Wenn man ein Mдdchen zur Seite fьhrt, kann man eine Liebeserklдrung erwarten. Erinnern Sie sich, vor einigen Jahren wдren Sie fast mein Onegin geworden? Warum sind Sie hier?
Trigorin: Die erste Regel der Journalisten lautet: Stell nie zwei Fragen auf einmal. Sonst bekommst du auf beide keine Antwort.
Tanja: Wenn man nur einen Hasen jagt, fдngt man bestimmt nicht zwei.
Trigorin: Das ist nicht bewiesen. Meine Anwesenheit bei dieser Beerdigung ist ein Beispiel dafьr. Ich schreibe gerade ein Stьck ьber ein Mдdchen, das an einer Geschlechtskrankheit leidet. Zufдllig habe ich von Marina gehцrt. Eine unglaubliche Illustration, nicht wahr? Mein Stьck sollte eigentlich anders enden, aber jetzt wurde es vom Leben selbst korrigiert.
Tanja: Und der zweite Hase?
Trigorin: Du. Darf ich du sagen? Dich habe ich gesehen. Ich will ehrlich sein, wie du damals. Du bist fьr mich immer noch das Mдdchen, das mir etwas ьber Liebe erzдhlt hat. Ich bin dir sehr dankbar. Ich wollte dich schon lange wiedersehen, aber zufдllig – so wie heute.
Tanja: Jetzt hast du mich gesehen. Bist du zufrieden?
Trigorin: Eigentlich schon. Wann kann ich dich wiedersehen?
Tanja: Warum glaubst du, dass ich einen Mann, an dessen Gesicht ich mich nicht einmal erinnern kann …
Trigorin: Ganz einfach, Watson. Ich mцchte dir mein Stьck vorlesen. Ich brauche
einen ersten Zuhцrer. Jemanden wie dich. In meinem Stьck geht um ein Mдdchen, das krank ist und niemandem etwas sagen kann. Alle verachten sie. Ich mцchte wissen, was dieses andere Mдdchen – ein Mдdchen, das glьcklich und gesund ist – dabei fьhlt.
Tanja: Das ist ein konstruiertes Problem. Irgendwie krank, wьrde ich sagen.
Das Mдdchen ist selbst daran schuld. An Syphilis erkranken nicht alle.
Ich verstehe, dass Syphilis keine Sьnde ist, sondern eine Krankheit. Ich
mache niemandem Vorwьrfe. Aber man muss eben aufpassen, mit wem
man ins Bett geht.
Trigorin: Tanja! Der Bus wartet. Wir wussten nicht, wo du steckst. Komm! (zu Trigorin) Kommen Sie mit?
(Oleg und Tanja gehen weg)
Trigorin: Nein, ich begrabe andere Trдume. ….
(auf die Grдber sehend)
Man muss aufpassen, mit wem man ins Bett geht.
Pause
(Der Zuschauerraum. Ein paar Zuschauer, alle sind nicht jung. Der Regisseuer macht Bemerkungen. Auf der Leinwand ist was Schцnes dargestellt. Die U-Bahn. Ein Mann sitzt. Eine Frau steht. Der Mann kokketiert.)
Mann: Wenn ich Ihnen meinen Platz anbiete, darf ich Sie dann kennen lernen?
Frau: Das дndert nichts. Auf dieser Welt stehen die Mдnner vor ihren Vorstellungen und die Frauen stehen vor den Mдnnern.
Mann: So klug sind Sie! Ich werde ьber Sie einen Film drehen. Wьrde Ihnen das gefallen? Sie sind in der U-Bahn vor einem berьhmten Regisseur gestanden.
Frau: Regisseure und noch dazu berьhmte Regisseure fahren nicht U-Bahn.
Regisseur: Wirklich eine kluge Frau. Aber das ist egal. Ich habe genug von klugen und dummen Frauen. Halt sie an.
Trigorin:(tritt ein) Die Erde. Ich steige aus.
Regisseur: Gut, dass du gekommen bist, Walja. Ich schau mir die Diplomarbeit eines Witzbolds an. Sag mir – wenn mein Name „Tцlpel“ ist, werden dann auch alle meine Studenten Tцlpel sein?
Trigorin: Meiner Meinung nach war das Bild schцn. Die U-Bahn ist klasse.
Regisseur: Unsere U-Bahn ist sowieso die beste auf der Welt.
Trigorin: Du willst die Erfolge der jungen Generation nicht anerkennen.
Regisseur: Wie geht es deinem Stьck?
Trigorin: Ich denke im Moment ьber das Ende nach.
Regisseur: Hat dir das Leben das Ende nicht gezeigt? Sollen wir dein Stьck zusammen lesen?
Trigorin: Ich habe ein Mдdchen dazu eingeladen.
Regisseur: Ich habe auch ein Mдdchen.
Trigorin: Ich hatte etwas anderes im Sinn.
Regisseur: Mensch! Egal, was du im Sinn hast, es lдuft immer auf das gleiche hinaus.
Trigorin: Nur ohne Fadheit! Und Banalitдt!
Regisseur: Bin ich banal? Ich beweise dir, dass das nicht stimmt. Ich gebe diesem Studenten eine „Eins“ und dazu alles, was er will.
Trigorin: In welchem Sinne?
Regisseur: Aha! Jetzt bist du fade.
(Der Regisseur und Valentin umarmen sich)
Gehen wir ins „Jahreszeiten“. Ich mцchte was essen und ein Mдdchen. Lad auch deine ein. Wir warten dann auf euch.

Pause. Oleg und sein Freund.
Freund: Oleg! Der Tцlpel hat mir ne Eins gegeben, aber mir hat man gesagt, dass die einzige Arbeit, die ihm gefallen hat, deine war.
Oleg: Und was krieg ich dafьr?
Freund: Was du dafьr kriegst? Wie wдr’s mit einem zarten, aber verlassenen Wesen, das du trцsten kannst? Sie ist Schauspielerin.
Oleg: Von dir verlassen?
Freund: Nicht nur von mir. Doch du wirst begeistert sein.
Oleg: Und du meinst, dass sich ein Genie wie ich mit dem Ausschuss zufrieden gibt?
Freund: Das sagst du nur, weil du nicht weiЯt, dass es …
Oleg: Uma Turman?
Freund: Und wenn es Uma Turman wдre?
Oleg: Na klar, der Ausschuss.
Freund: Es ist Anastasia Radowa.
Oleg: Ich nehme an, es ist keine Fьrstin Anastasia, oder?
Freund: Dafьr wird sie die Hauptrolle in Tцlpels Film spielen – dem ьber Syphilis und die Liebe.
Oleg: Wenn jemand ein Problem hat, ….
Freund: So viel ich weiЯ, ist der gute Herr Tцlpel inzwischen wieder gesund, aber die Krankenhдuser haben einen groЯen Eindruck auf ihn gemacht.
Oleg: Und diese Nastja – Hat er was mit ihr oder ist sie einfach eine gute Freundin von ihm?
Freund: Er ist so verrьckt nach ihr, dass er ihr erlaubt hat, all ihre Freunde und Bekannten in dem Film unterzubringen. Nur damit sie die Hauptrolle spielt. Dabei ist der Typ berьhmt und sie nicht. Unglьcklich noch dazu. Alle Mдnner verlassen sie.
Oleg: Und jetzt bin ich an der Reihe oder wie?
Freund: Wenn du ihr gefдllst, kann sie dich zum Beispiel als Kameramann empfehlen und ich mьsste eigentlich der zweite Regisseur sein …
Oleg: Und warum hast du das nicht geschafft?
Freund: Ach, sie ist so ne Zimperliche. Ich habe keine Lust mehr, ihr stдndig irgendwelche Liebeslieder vorzusingen oder mein ganzes Geld fьr Blumen auszugeben. Du kannst sie haben. Mir kannst du dafьr Tanetschka geben, falls sie eifersьchtig wird.
Oleg: Ich hoffe nicht. Tanja und ich, wir sind Freunde. …
Pause. Das Restorant. Alle lernen sich kennen.
Trigorin: Darf ich Tatjana Bobylewa vorstellen?
Tanja: Bald werde ich Kulikowa heiЯen.
Regisseur: Ach, Sie wollen bald heiraten. Roman Tцlpel ist mein Name.
Tanja: Ich habe einige Ihrer Filme gesehen.
Roman: Im Knopfloch oder im Haar meiner Gattin?
Trigorin: Tanetschka war frьher Astronomin und arbeitet zur Zeit als Journalistin. Auf jeden Fall bemerkt sie nur GrцЯe.
Roman: Ach so! Sie stellen gern Fragen, oder? Kцnnen Sie auch welche an mich stellen?
Tanja: Das ist mir peinlich.
Roman:(sagt ihr leise) Regen Sie sich bitte nicht auf. Das ist doch keine Probe, sondern nur eine kleine Umfrage. Walja hat mir gesagt, dass du sehr gerne SpaЯ machst, aber ich habe den Eindruck, dass er sich geirrt hat. Was ist dir denn peinlich?
Tanja: So viel ich weiЯ, haben wir noch nicht Bruderschaft getrunken. Warum duzen Sie mich?
Roman:(sagt allen laut) Das holen wir nach. In sieben Monaten und fьnf Tagen habe ich Geburtstag. Wir werden zusammen die Kerzen auf meinem Geburtstagskuchen ausblasen. Ich habe sie schon bestellt.
Das Mдdchen von R. Und was wьnscht du dir?
Roman: Dich glьcklich zu machen.
Ljalja:(zu Tanja) Laut hat er das gesagt. Dann geht’s nicht in Erfьllung.
Roman: Trinken wir doch einfach auf das Stьck meines Freundes, meines guten Freundes Valja Trigorim. Trinken wir darauf, dass seine Tchechow-Seele ..
Trigorin: nicht zu laut nieste.
Ljalja(ein wenig betrunken): Ich mцchte tanzen. Roman, ich will mit dir tanzen. Du wolltest mich doch glьcklich machen.
(Roman geht zu ihr, aber sieht Anastassija Radova an der Tьr. Er lдsst Ljalja allein stehen und sieht auf Nastja so, als ob sie die Sonne sei. Roman ist sehr taktvoll mit ihr. Alle verstehen, dass er verliebt ist. Nastja kommt zum Tisch. Sie ist nicht verliebt, aber ist froh, alle zu sehen.)
Nastja: Ich gratuliere Ihnen – ganz egal, was Sie feiern.
Roman: Nastjenka, Guten Tag! Ich freue mich sehr, Sie zu sehen. So ein glьcklicher Zufall. Was machen Sie hier?
Nastja: Sie haben mich doch selbst eingeladen.
Roman: Doch ich hatte nicht gewagt zu glauben, dass Sie tatsдchlich kommen wьrden.
Herr Ober! Alle Speisen, die Sie haben – fьr alle, bitte!
Nastja: Herr Paratov! Ich mцchte nichts.
Roman: Liebe Larotschka! Die Liebe ernдhrt sich nicht nur von Beefsteak und Tee. Toi, toi, toi. Nicht nur mit Liebe …
Nastja: Ich habe verstanden.
Roman: Nein! Sie haben das nicht verstanden. Valja liest gleich ein Stьck vor, das er gerade fertig geschrieben hat.
Trigorin: Nastja ist selbststдndig. Sie hat schon alles gelesen.
Roman: Und wo ist mein zweiter Regisseur? Er muss das Drehbuch auch haben. Warum haben Sie ihn nicht mitgebracht?
Nastja: Es tut mir leid, wenn ich Sie in die Irre gefьhrt habe, aber ich glaube, Sie brauchen keinen zweiten Regisseur. Ich kann Ihnen helfen, wenn Sie etwas brauchen.
Roman: Eine Zauberin! Aber ich mцchte, dass Sie auch Ihr eigenes Team haben.
Nastja: Er ist fьr ein Team nicht so geeignet.
Trigorin(leise): Und ist er fьr individuelle Sportarten geeigneter?
Lilja:(stark betrunken) Wie heiЯen Sie?
Trigorin: Ich wurde doch schon vorgestellt.
Lilja: Den Namen habe ich vergessen. Sind Sie ein Freund von Roman?
Trigorin: Warum so geheimnisvoll?
Lilja: Ist er in diese … in sie verliebt?
Trigorin: Roman hat ein groЯes Herz. Dort gibt es fьr jeden einen Platz.
Lilja: Warum hat er dann mir keine Rolle gegeben? Ich mцchte die Hauptrolle spielen. Ich bin doch schцn.
Trigorin: Dumm bist du.
Lilja: Ich?
Trigorin: Bestimmt nicht ich! Nastja ist wirklich eine große Schauspielerin. Das kannst du mir glauben. Ich glaube, eine tragische Schauspielerin. Weißt du, so wie damals die Ermolova. Allerdings ist sie ihr nicht ähnlich. Ach, du hast wahrscheinlich nichts von der Ermolova gehört. Doch das ist eigentlich nicht wichtig. Roman hat schon viele große Talente verdorben, aber auch viele berühmt gemacht. Aber du kannst ihm ein Kind gebären.
Lilja: Ich? Ein Kind? Er hat doch eine Frau.
Trigorin: Na und? Du willst ohne Talent Schauspielerin werden, aber ohne Ehe keine Mutter? Du bist ein gutes Mädchen. Ich möchte auch so sein.
Lilja: Du bist auch ein guter Mensch und du machst mir Komplimente.
Ich möchte mir dir zusammen leben.
Trigorin: Aber ich habe auch eine Frau.
Lilja: Doch heute übernachtest du bei mir. Morgen auch. Stimmt’s? Sag nicht „Nein“.
Trigorin: Ich sage nicht „Nein“.
Roman: Trinken wir auf unsere Damen! Auf Sie, die Schönen und Klugen. Aber warum im Plural? Wir trinken nur auf eine schöne und kluge Frau, die schönste und klügste auf der Welt. Tanetschka ist Journalistin und kann mir zustimmen. Wir trinken auf Anastasia Radowa. Sie ist die allerbeste. Wer nicht auf sie trinkt, bekommt es mit mir zu tun.
Alle zusammen(die Frauen am lautsten)
: Wir stimmen dir zu. Wir trinken auf die große Schauspielerin. Wir wollen nicht streiten.
(Alle stossen. Roman drückt sein Bein zu Tanjas Bein)
Tatjana(leise zu Roman): Anastasia Radowa ist doch die Klügste.
Roman(laut): Wer möchte tanzen?
Lilja: Ich, ich. Ich möchte glücklich sein.
Roman: Valetsckka, ich weiß, dass du sehr gut tanzt. Tanz doch bitte mit Ljaletschka. Für sie soll es heute nur das Beste sein, doch ich bin zu alt.
Trigorin: Für Ljaletschka bin ich auch zu alt. Besonders fürs Tanzen.
Nastja:(dreht sich plötzlich zu Valja um) Sagen Sie bitte nicht „Nein“. Ein Tanz mit Ihnen wird sie glücklich machen. So wenig braucht sie, um glücklich zu sein. Wie sie möchte ich auch sein.
Valentin: Dann machen Sie auch mich glücklich. Den zweiten Tanz tanze ich mit Ihnen. Können Sie mir das versprechen?
Roman:(steht auf und kommt zu Radova) Ich habe alles gehört und bin Herrn Trigorin nicht böse, obwohl er Sie zum Tanz aufgefordert hat, denn wir beide können während der Dreharbeiten miteinander tanzen. Ich werde mit der tanzen, die kein Wort sagt und nicht so schön ist.
Nastja: Meinen Sie Ljalja?
Roman: Ljalja ist mein Mädchen, das heißt, sie kann nicht schlecht aussehen. Meine Mädchen sehen immer super aus. Ich spreche über diese Astronomin.
Nastja: Ist sie Astronomin? Darum ist sie so still.
Roman: Sie ist einfach konzentriert. Sie sucht Flecken auf der Sonne.
Nastja: Auf Ihnen gibt es keine Flecken.
Roman Ich bin keine Sonne, meine liebe Venus. Ich bin der rote, leidenschaftliche Mars.
Roman und Tanja tanzen. Roman führt sie weg.
Ich habe genug von dieser Gesellschaft. Komm, ich bringe dich nach Hause zu deinem Bräutigam.
Tatjana: Ich rufe ihn an. Er holt mich ab.
Roman: Ach, weißt du Tanetschka. Bei Tisch habe ich nicht besonders charmant über dich gesprochen. Ich wollte dir nicht weh tun. Ich wollte doch nur zeigen, wie sehr ich Nastja Radowa liebe. Sieht man, dass ich sie liebe? Ich liebe sie!
Tatjana: Mir ist das ganz egal. Ich sehe Sie zum ersten Mal in meinem Leben und ich hoffe, es war auch das letzte Mal.
Roman: Du wirst mich wiedersehen. Du wirst mich im Fernsehen sehen.
Tatjana: Ich sehe nicht fern.
Roman: Schaust du nur die Sterne an?
Tatjana: Ich gehe.
Roman: Hast du das Stück gelesen?
Tatjana: Ja, habe ich.
Roman: Wie findest du es? Das ist mir sehr wichtig. Hat dich das Stück berührt?
Tanja: Nein, ich würde mir diesen Film nicht ansehen.
Das Ganze ist langweilig. Ein Mädchen ist krank. Ihr Freund hat kein Geld, um ihre Behandlung zu bezahlen. Alle Freunde lassen sie im Stich. Ein Kranker hilft ihr. Na und?
Roman: Ist ein Film wie „Die nackte Pistole“ besser? Er liebt sie, sie ihn aber nicht. Dann fällt ein Heißluftballon auf sie und er vergisst sie. Ist das etwa besser?
Tanja: Ich weiß nicht. Ich gehe nicht ins Kino.
Roman: Du siehst nicht fern. Du gehst nicht ins Kino. Nichts weißt du vom Leben. Deswegen verstehst du nichts. Das ist ein Stück … Ich habe es selbst erlebt. Geh nicht weg! Ich möchte mit dir reden. Ich fühle, dass du zart bist. In dir lebt noch etwas. Tu mir bitte nicht weh. Jemand hat mich angesteckt. Es ist schon lange her. Ich hatte immer Angst, dass dieser „Jemand“ meine Geliebte ist. Dann dachte ich, dass es meine Frau ist. Sie ist eine berühmte Schauspielerin. Ja, der Tripper bleibt der Tripper – ganz egal, ob die Schauspielerin berühmt ist oder nicht. Ich habe mich anonym in Kliniken behandeln lassen und man zeigte mit Fingern auf mich. Ich habe die Verachtung gespürt. Selbst die Ärzte haben ihre Verachtung gezeigt. Verstehst du das? Ich konnte weder leben noch lieben. Der Tod war immer nebenan.
Tatjana: Inzwischen kann man das doch alles behandeln und heilen. Ich habe gelesen, dass man Syphilis heute in einem guten Krankenhaus in zwei Tagen heilen kann. Nur bei AIDS ist die Behandlung noch etwas schwieriger.
Roman: Über AIDS habe ich Alpträume. Kannst du mir das glauben? AIDS – das ist wenigstens eine Tragödie. Und der Tripper? Der ist einfach nur gemein und doof. In einer anständigen Gesellschaft spuckt man auf dich. Man kann sich selbst nicht mehr achten. Als ich den Tripper hatte, bedeutete es für mich, dass ich skrupellos gewesen war. Ich hatte immer die schönsten Mädchen und plötzlich …. Sieh mich nicht voller Ekel an – fast wie es bei Esenja steht.
Tatjana: Und danach hast du einfach so weiter gemacht. Immer wieder das alte Lied. Ich liebe die andere, nicht dich.
Roman: Ich liebe niemanden. So ist es, Taetschka. Ich muss meinen Film drehen. Komm, ich bring dich nach Hause. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.
Tatjana: Und was ist mit Nastja? Was ist mit Ljalja?
Roman: Ljalja! Ich hab genug von ihr. Schon seit drei Tagen will ich mit ihr Schluss machen. Aber Nastja ….
Tatjana: Mit ihr fängst du an, oder?
Roman: Kluge Frauen sind heute keine Seltenheit.

Akt 2.

Morgen. Bett.
Tatjana: Warum hast du nicht gesagt, dass du nicht weißt, wo Bychino ist?
Roman: Dafür weiß ich ganz genau, wo mein Haus ist. Es hat dir gefallen. Das spüre ich. Jetzt kannst du damit angeben, dass du mit einem berühmten Regisseur im Bett warst.
Tatjana: Soll ich darüber in der Moskauer Komsomolze schreiben? ???
Roman: Lieber in der Sowjetskaja Sport. Das passt besser.
Tatjana: Ich meine es ernst.
Roman: Versuchs nur. Wenn du das machst, zerreiße ich dich in Stücke, meine Liebe. Aber jetzt biete ich dir erst mal ein Stück Zucker an.
Morgen. Bett.
Nastja: Du kennst mich ja überhaupt nicht.
Oleg: Genau. Ich kenne dich überhaupt nicht. Es ist einfach eine Sinnestäuschung. Ich gebe dir mein Ehrenwort. Ich wundere mich selbst. Ich habe im Restaurant eine Frau gesucht. Meine zukünftige Frau. Ich dachte, es könnte Tatjana Bobyleva sein. Nein. Du bist es.
Nastja: Das ist wohl Schicksal. Ich bin fast in Ohnmacht gefallen, als ich dich gesehen habe. So hatte ich mir das immer vorgestellt. Er kommt herein und ….
Oleg: Er ist hereingekommen.
Nastja: Und was ist mit Tanja? Das ist doch das Mädchen, das Roman hässlich genannt hat.
Oleg: Weißt du, Tanja gibt es nicht mehr. Entschuldigung, ich habe vergessen, wie du heißt.
Nastja: Ich bin Nastja, Nastja Radowa. Und du bist Oleg.
Oleg: Du wirst es nicht glauben, aber ein Mann hatte mir vorher von dir erzählt. Er wollte, dass wir uns kennen lernen.
Nastja: Ja, ja, bestimmt.
Oleg: Nein, im Ernst. Es ist wirklich so. Weißt du, in Tanja habe ich mich damals auch auf den ersten Blick verliebt. Entschuldigung. Ich hab vergessen … Tut mir leid. Alle haben alles vergessen.
Pause. Das Wartezimmer beim Arzt. Hier sitzen schöne Patienten. Sie sind gut gekleidet, haben Händys mit.Ein Mädchen weint.
Kavkasez Der ganze Schmutz kommt von den Frauen.
Mädchen Nein, von den Männern.
Kavkaez Ist er schuld?
Mädchen Ja, er.
Kavkasez Wir bringen ihn um, wenn du uns seinen Namen sagst. Ist schon gut. Weine nicht, Schwesterchen.
(Es klingelt. Jemand tritt ein.)
Noch ein Opfer unseres Zeitalters.
Aus dem Zimmer Der nächste!
Arzt — Das ist Trigorin. „Die Opfer des Zeitalters“ – Tanja
Ihre Augen treffen sich.
Trigorin:(ruhig, ohne verwundert zu sein) Sind Sie die Nächste?
Tanja Nein, ich bin gerade erst gekommen.
Trigorin Dann warten Sie bitte hier, und Sie – kommen Sie bitte herein.
(Das weinende Mädchen tritt ein.)
Trigorin Sie brauchen mir Ihren Namen nicht zu sagen. Was fehlt Ihnen?
Mädchen Ich weiß es nicht. Etwas stimmt nicht mit mir. Wir haben Analsex gehabt und seitdem bin ich krank.
Trigorin Nicht weinen. Wir können Sie hier behandeln. Es ist allerdings nicht billig bei uns. Wenn es Ihnen zu teuer ist, kann ich Ihnen etwas Preisgünstigeres empfehlen. Sie können es sich noch überlegen. Die Hauptsache ist, dass Sie wieder lächeln. In Ordnung?
Mädchan Ja, in Ordnung.
Trigorin Ziehen Sie sich bitte aus.
Mädchen Nein.
Trigorin Nur den Oberkörper frei machen. Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin doch Arzt.
Pause. Tanja tritt ein.
Mädchen Was bedeutet das? Sie sind doch Dramatiker.
Trigorin Zuerst habe ich Medizin studiert. Ich bin wirklich Arzt – Spezialist für Geschlechtskrankheiten. Du hast doch auch Astronomie studiert und bist jetzt Journalistin. Ich will nur den Leuten helfen und ….
(Tanja beginnt zu weinen)
Weine nicht! Zieh dich aus!
Warum bist du nicht zu mir als Dramatiker gekommen? Wie zu einem alten Freund?
Tanja Du bist ja verrückt. Oleg hat mich verlassen. Er lebt jetzt mit der Radowa zusammen. Wenn meine Eltern erfahren … Ich kann den Leuten nicht mehr in die Augen sehen … Du … Ich war auch in dich verliebt.
Trigorin Es tut mir leid, Tanja. Wer ist es?
Tanja Versprich mir, es niemandem zu sagen.
Trigorin Tanja, dummes Mädchen.
Tanja Roman
Trigorin Nein, du bist nicht dumm. Du bist einfach verrückt. Du hast mit ihm geschlafen. Er ist doch krank. Hast du das nicht gewusst?
Tanja Er hat gesagt, dass er geheilt ist. Er tat mir leid. Wie konnte er nur, wenn er noch krank war? Ich dachte, er sei ein anständiger Mensch.
Trigorin Warum ist er nicht mit dir hierher gekommen? Weiß er Bescheid?
Tanja Ich kenne ja nicht mal seine Telefonnummer. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn finden kann.
Trigorin Mensch! Roman! Er hatte es nicht leicht. Drei Monate ohne Frauen. Er hatte Angst, seine Frauen anzustecken. Ja, jetzt ist er natürlich geheilt.
Tanja Also, das bedeutet, dass ich wirklich krank bin. Ich dachte, dass ich mich vielleicht geirrt habe.
Trigorin Nicht weinen. Weine nicht. Wir können alles heilen. Alles. Sieh mich an. Natürlich ist dieses Problem ernster als Onegins Liebe, aber lächle, lächle nur mal und alles wird gut. Das bekommen wir in den Griff. Es vergeht. Ganz einfach, wie ein Schnupfen. In zwei Wochen bist du wieder gesund. Du wirst nur Kopfschmerzen haben, sonst nichts.
Tatjana Oleg hat mich verlassen. Das ist meine Strafe – meine Strafe für diese eine Nacht. Er hat mir einfach nur leid getan. Ich habe ihn nicht mal lieb gehabt.
Trigorin Weißt du, ich habe eine Tochter. Als sie in deinem Alter war, wollte sie sich wegen einer unglücklichen Liebe vergiften. Und inzwischen ist sie glücklich verheiratet. Das wirst du auch sein. Ich verspreche es dir. Zur Hochzeit bekommst du von mir einen Blumenstrauß. Einverstanden?
Tatjana Ich brauche keine Hochzeit. Ich brauche Oleg. Er ist mir vertraut. Ich möchte ihn neben mir haben. Ich möchte, dass er mir eine Brühe kocht. Dabei kann ich nicht mal mit ihm sprechen. Genau so wie in deinem Stück.
Trigorin Es bedeutet, dass das Stück gut ist, wenn du es endlich verstanden hast. Aber er wird auch die Radowa verlassen. Ich bin mir da ganz sicher. Sie ist eine tragische Schauspielerin.
Tanja Es tut so weh.
Trigorin Du musst Geduld haben und an die Sterne denken – wenigstens an das Interview mit dem wichtigen Astronomen, das du machen musst.
Interview mit dem Gesundheitsminister
Gesundheitsminister Ich, als Minister für das Gesundheitswesen, bin der Ansicht, dass man mehr für die AIDS-Kranken tun muss. Wir dürfen an den AIDS-Kranken nicht sparen und müssen so viel Geld wie nötig bereitstellen. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht.
Tanja Vielen Dank, Viktor Grigorjewitsch. Sollen wir das Mikrophon zur Seite legen? Die Kamera läuft jetzt nicht mehr. Können Sie mir vielleicht ohne Kamera ihre ehrliche Meinung sagen? Finden Sie wirklich nicht auch, dass man heutzutage zu viel über AIDS spricht und viel zu viel Geld ausgibt?
Gesundheitsminister Sie haben schon recht. Unter uns gesagt, finde ich auch, dass man heutzutage viel zu viel über AIDS redet. Wenn man schon nicht an die Gesunden denkt, sollte man wenigstens an andere Kranke denken. An Krebs stirbt z.B fast jeder zweite in diesem Land und an AIDS … na ja 100 oder 200. Was ist das schon? Wir wissen doch alle, was das für Leute sind. Normale Leute bekommen kein AIDS. Das ist wie mit allen Geschlechtskrankheiten. Anständige Leute kriegen das nicht. Das sind eben solche, die fremd gehen, leichtfertige Mädchen und ……… na ja, sie wissen schon. Natürlich gibt es Vergewaltigungen und einige hatten eine Blutübertragung oder so, aber die meisten … Sie können es mir ruhig glauben. Einfach so fällt einem kein Ziegelstein auf den Kopf – Da sind wir uns wohl einig. Na ja, das ist natürlich jetzt nicht für die Kamera.
Tanja Ja, natürlich. Das ist nicht für die Kamera. Trotzdem vielen Dank.
Tanja redet mit einem Aidskranken.
Aidskranker Als ich an AIDS erkrankte, fühlte ich mich wie ein Aussätziger. Es ist viel schlimmer als der Tod oder Krebs. An Krebs stirbt man. Mit AIDS muss man leben. Wenn man an Krebs stirbt, wird man bemitleidet. Zur Beerdigung bringt man Kränze … Wenn man an AIDS stirbt … das ist nur in Büchern oder Filmen einfach. Dort sind ja alles Helden. In Wirklichkeit haben die meisten nur Angst. Und dann immer diese Frage „Wie hast du dich angesteckt?“ Wenn man den Geliebten küsst und eine Grippe bekommt, ist es noch einfach. Man bleibt nicht lange krank. Aber wenn du mit AIDS infiziert bist, ….. Damit musst du leben.
Tanja redet mit der schönen und nicht sehr jungen blonden Frau.
Blondine Warum soll ich Ihnen etwas erzählen?
Tanja Ich erzähle Ihnen etwas …
Der Kameramann schaltet die Kamera ein
Tanja(mit dem Mikrophon)
Der bekannte Regisseur Roman Balbessov…. dreht zur Zeit einen Film über die Liebe, die Venus und Geschlechtskrankheiten.
Pause. Trigorin und Roman.
Trigorin Als ehrlicher Mensch könntest du dich wenigstens bei Tanja entschuldigen.
Roman Bin ich einem ehrlichen Menschen ähnlich?
Trigorin Du bist einem Menschen ähnlich.
Roman Valja, du bist mein Freund und dein Name ist für mich ein Symbol der Liebe. Mach mir wegen dieser Tanja doch nicht das Leben schwer. Ich will Tanja nicht mehr sehen. Wenn du willst, gebe ich ihr etwas Geld.
Trigorin Wenn ich das will?
Roman Na, wer redet denn ständig von ihr. Ich will sie jedenfalls nicht mehr sehen. Nur eine einzige Nacht, nur einmal war das! Muss ich jetzt dafür zahlen? Ich hatte doch bessere Geliebte. Jetzt habe ich Nastja. Außer an sie will ich an niemanden denken. Wir drehen zusammen den Film. Sie hat einen Kameramann mitgebracht. Er ist ein Genie. Das ist U …. Ich muss diesen Film drehen. Für alle Kranken. Die Menschen werden sich den Film ansehen und begreifen, das die Liebe und die Krankheit Synonyme sind. Sie werden begreifen, dass die Kranken menschlicher sind als …
Trigorin Und da kommt eine Kranke und sagt: „Ich bin auch ein Mensch.“
Roman Ich bitte dich. Sie ist wohl fast gesund. Im Grunde geht es ihr so sogar besser. Endlich wurde sie zu einer richtigen Frau. Beim nächsten Mal wird sie vorsichtiger sein. Man muss doch für seine eigenen Handlungen die Verantwortung tragen.
Trigorin Du hast sie angesteckt. Hast du das vergessen?
Roman Natürlich weiß ich das. Warum erinnerst du mich ständig daran? Ich hatte gedacht, dass ich schon fast gesund wäre.
Trigorin Na ja … Was soll’s. Machs gut. Ich habe übrigens angefangen, ein neues Stück für dich zu schreiben.
Roman Valja, sei mir nicht böse. Denke nicht, dass dein Freund Abschaum ist. Du sorgst doch für dieses Mädchen, nicht wahr? Meine Frau ist eifersüchtig. Nastja ist auch eifersüchtig. Und weißt du, ich habe etwas ganz Besonderes gefunden. Sie heißt Aglaja. Doch sie ist auch sehr eifersüchtig. Dazu kommt, dass ich überall bekannt bin wie ein bunter Hund.
Trigorin Rolka, du bist natürlich mein Freund und Abschaum bist du auch. Aber du bist der zweite Fellini, nein, der erste. Daran ist nichts zu rütteln.
Trigorin geht weg.
Roman(sehr laut) Sag die Wahrheit. Gefällt dir dieses Mädchen?
Trigorin Ich habe sie dir vorgestellt. Und das wäre alles.
Als Trigorin weg ist
Roman Nanu, nanu. Mit einer Kranken zu schlafen ist spannend – als ob man über Messerspitzen gehen würde. Mit den Gesunden ist das übrigens nicht anders.
Pause. Es wird aufgenommen.Nastja und Er spielen
Nastja Als ich klein war, habe ich ein Haus gesehen, das mit Efeu bewachsen war. Das war in Simferopol. Ich bin dorthin zurückgekehrt, aber das Haus habe ich nicht mehr gefunden. Und den, den ich im Fenster gesehen habe, auch den habe ich für immer verloren. Ich weiß in welcher Straße das Haus stand und ich kann mich an die Mauer erinnern. Ich suche dieses Haus – so wie eine Quelle. Doch was ist, wenn es dieses Haus nie gegeben hat, wenn ich es mir einfach ausgedacht habe …
Er Ich verstehe dich nicht, mein Schatz. Was hat das mit deiner Krankheit zu tun?
Nastja Wenn es dieses Haus wirklich gegeben hat, dann gibt es etwas, was ewig ist. Dann gibt es einen Unterschied zwischen der Krankheit und der Gesundheit. Und wenn nicht ….
Er Ich bin gesund, aber ich habe kein Haus – und schon gar nicht irgendwo in Simferopol. Und ich suche nichts.
Nastja Bist du sicher, dass du gesund bist? Alle gesunden Menschen haben ihr Haus. Die Krankheit – das ist eine Suche. Die Suche nach dem, was man nicht in sich hat – die Suche nach Harmonie. Daran stirbt man – früher oder später.
Er War das Haus nicht gelb?
Pause.
Roman Im Kasten! Schön! Aber noch ein Dreh kann nicht schaden. Valera, du spielst toll, ein bisschen ……… aber ausdrucksvoll. Und du, Nastenka, bist heute traurig. Sprich ironisch, wie wir es geübt haben. Das ist doch Ironie! Die ganze Welt ist auf Ironie gegründet. Die Sonne hat auch ihre Flecken. Die Gesunden haben auch manchmal Probleme. Du bist so klug. Du verstehst das.
Nastja Ich brauche eine Pause – fünf Minuten. Ich möchte etwas trinken. All diese Krankheiten – ich will sie abwaschen. Ich möchte nach Simferopol.
Roman Gut so. Das ist deine Rolle. Du musst in deine Rolle hineinwachsen. Wir müssen noch zwei Monate drehen. Du wirst erst ganz am Ende gesund – falls der Schluss so bleibt. Falls nicht, musst du in den Fluss springen. Im Fluss wäschst du dich ab. Das habe ich noch nicht entschieden. Valka hilft mir nicht mehr.
Pause.
Oleg Warum bist du hier? Was brauchst du? Nastja ist eifersüchtig und sie muss heute noch zwei Akte spielen. Wenn sie nervös wird, was dann? Sag, was du brauchst und geh!
Tatjana Ich weiß, dass du zu mir zurückkehrst. Ich kann ohne dich nicht leben. Ich sehne mich nach unseren Streits in der Küche. Ich möchte keine Sterne im Himmel und keine Sterne Russlands. Ich möchte nach Hause, auf die Erde. Ich möchte nicht krank sein. Nichts möchte ich suchen. Ich habe es schon gefunden. Hab doch Mitleid mit mir!
Radova tritt ein.
Oleg Nastenka! Tanja hat mein Studienbuch mitgebracht. Ich habe es bei ihr vergessen. Gehen wir einen Kaffee trinken. Natotschka, du hast prima gespielt. Einfach klasse!
Oleg und Radova gehen schnell weg.
(zu Tanja ganz schnell) Ich ruf dich später an.
Tanja weint . Pause.
Roman und seine Assistentin Aglaja. Aglaja! Oh, mein Gott. Jedes Mal, wenn ich ihren Namen ausspreche, bekomme ich eine Gänsehaut. Aglaja, haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie heute nach Hause begleite?
Aglaja Warum nicht, Roman Petrovitsch?.
Roman(leise) Gut. Ich habe genug davon, nach jemandem zu suchen.
(Er sieht Tanja, aber macht es so, als ob er sie nicht sehe.Tanja geht hinter ihm und hält ihn vor dem grossen, schönen Auto.)
Tanja Roman! Warte!
Roman Hallo! Entschuldigung! Ich bin sehr in Eile. Mein Film …
Tanja Ich habe auch viel zu tun – mit dem Thema deines Films. Du drehst den Film und ich mache eine Reportage über Geschlechtskrankheiten. Dein Film gehört vielleicht auch zu meiner Reportage. Deine Frau hat mir ein Interview gegeben und mir gesagt, dass du sie angesteckt hast und nicht umgekehrt.
Roman Tanja, bist du krank?
Tanja Ja, ich bin krank und schon krank geschrieben.
Roman Ich habe mit meiner Frau gestritten, aber wir haben uns schon lange wieder versöhnt.
Tanja Mit mir hast du aber noch keinen Frieden geschlossen. Ich warne dich …
Roman Wirst du in deiner Reportage auch über dich selbst berichten?
Tanja Warum nicht? Ich werde auch sagen, dass du mich angesteckt hast. Klingt ungewöhnlich. Von dir bekommt man gewöhnlich Kinder, keine Krankheiten. Vielleicht jedem das seine. Darüber werde ich auch reden. Ich habe nichts zu verlieren.
Roman Du machst damit für mich Werbung.
Tanja Ich bin froh, dir Gutes zu tun.
Roman Was willst du?
Tanja Praktisch nichts. Die Radowa wird nicht in deinem Film spielen. Ich bekomme die Rolle.
Roman Was?! Erstens du mit deinem Äußeren – Schauspielerin – zum Lachen. Zweitens ist schon alles fest. Wie kommst du auf diesen Gedanken?
Tanja Ich hatte gute Lehrer. Alles, was geschehen ist, hatte seinen Grund. Das habe ich selbst verstanden. Ich habe beschlossen, dass es das Beste ist, wenn ich in deinem Film mitspiele.
Roman Schluss mit dem Unsinn. Ich gebe dir Geld. Du bist nicht begabt, du hast kein Talent. Sonst würde ich dir die Rolle gern geben. Willst du vielleicht eine Nebenrolle, z.B. die Freundin von Mascha.
Tanja(schüttelt mit dem Kopf) Sage der Radowa schon heute, dass ich die Hauptrolle spielen werde.
Roman Ich habe dir schon gesagt, dass ich nichts darartiges tun kann.
Tanja Ich bestehe nicht darauf. Ich warne dich einfach.
Roman Du machst meinen Film kaputt. Einige Szenen wurden schon gedreht.
Tanja Gut. Dann kann das Geld, das du mir geben wolltest, dafür aufkommen.
Roman Tanetschka, was soll ich tun?
Tanja Du bist doch Fellini.
Ich bin keine Schauspielerin, Fellini. Ich hatte kein echtes Meer, aber es sah echter aus als der Ozean.
Roman Tanja, ich bin kein Fellini.
Tanja Dann ist es höchste Zeit, Fellini. zu werden, Herr Balbessov..
Pause. Es wird aufgenommen.Tanja spielt.
Oleg und Nastja sind im Flughafen: Warum fährst du weg, Nastenka? Ich liebe dich, aber ich kann den Film nicht aufgeben. Es ist mein erster Film. Meine große Chance.
Nastja Ich muss los. Sonst fliegt das Flugzeug ohne mich.
Oleg In Simferopol wartet niemand auf dich.
Nastja Ich muss dieses Haus finden, mein Haus. Ich dachte wirklich
Oleg, dass die Liebe wichtiger als alles andere ist – wichtiger als
alles auf der Welt.
Oleg Das ist wirklich so. Ich bleibe bei dir. Nur hier in Moskau. So
lange habe ich auf meine Chance gewartet. Wir werden reich
sein, bekannt, wie …. wie …
Nastja Aber ich kann nicht Ermolova. werden. So ist es. Ich müsste Trigorin. lieben. Dann könnte aus mir eine Möwe werden. Und jetzt sind nur Balbessovs und Kulikovs. – Sie haben mich geliebt. Und wo ist diese Liebe jetzt?
Oleg Wieso sagst du so etwas, Nastja. Ich liebe dich doch.
Nastja Du hast genug gewartet. Kennst du die Sage über das „Genug“? Kannst du dich an den Trickfilm über die Goldantilope. erinnern? Warum wurde aus dem Gold einfache Scherben? Der Sultan hat einfach gesagt „Genug“.
Oleg Ich werde dich lieben.
Nastja Und warten?
Oleg(denkt nach) Ich werde warten.
Nastja lacht Sie geht an die Kontrolle. Ein Mann kommt zu ihr und möchte helfen den Koffer tragen
Mensch Darf ich? Sind Sie zufällig keine Schauspielerin?
Nastja Doch. Ich bin zufällig Schauspielerin.
Oleg beobachtet, dann sieht auf die Uhr und läuft zum Telefon.
Oleg Roman Petrovitsch,.. Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Ich habe Radova…. begleitet. Ich komme in 20 Minuten.
Pause.
Tanja Der Blumenstrauß ist klasse. Niemand hat mir je solche Blumen geschenkt. Und von dir?
Trigorin Du bekommst keine mehr.
Tanja Was?
Trigorin Im Ernst.
Tanja Ich verstehe nichts.
Trigorin Oleg ist zu dir zurückgekehrt. Stimmt das?
Tanja Weißt du, Walja. Ich habe gesehen, dass ich ihn nicht mehr
brauche. So ist es immer. Man wartet auf den Anruf. Und
wenn er kommt, wartet man schon auf den Anruf eines anderen.
Trigorin Ich hoffe, du wartest nicht auf meinen Anruf.
Tanja Und warum hoffst du das? Mir scheint, dass wir …
Trigorin Nein, wir haben keine Zukunft. Wie sagt man so schön. Ich liebe
sie, aber wie ein Bruder und vielleicht noch sanfter. Ich bin zu
alt, zu alt in der Seele, um etwas zu fühlen.
Tanja Willst du weg? Wenn alles stabil bleibt?
Trigorin Red keinen Unsinn.
Tanja Entschuldige. Aber ich habe gedacht, dass jetzt alles klappt.
Das, was vor zwei Jahren geschehen ist, das ist einfach
Schicksal.
Trigorin Wir machen unser Schicksal selbst. Wir denken, das ist etwas
für mich. Nicht? Was wolltest du am meisten?
Tanja Es ist zum Lachen. Der Anfang mit den Tauben, das Ende mit
den Pferden.
Trigorin Die Welt ist auf Ironie gegründet.
Tanja Ehrlich?
Trigorin Warum sollte ich lügen?
Tanja Ich wollte einen Prinzen auf einem weißen Pferd. Wir küssen
uns und reiten zu seinem Schloss.
Durch die dunkle Strasse läuft ein Pferd
Trigorin Deine Träume werden in Erfüllung gehen.
Tanja Und wo ist der Prinz?
Trigorin Ich kann reiten, und du?
Tanja Ich nicht. Aber du hilfst mir, oder?
Trigorin In deinem Traum war das aber nicht so. Denkst du, dass dich der
Prinz so sehr lieben muss, dass er dir hilft?
Tanja Also kein Prinz auf dem weißen Pferd.
Trigorin Vielleicht ist es neben dem weißen Pferd auch nicht so übel.
Tanja Bedeutet das, dass du nicht weg gehst?
Trigorin Ich gehe weg. Das Märchen dauert bis zum Einschlafen. Am Morgen beginnt ein anderer Tag und ein anderes Märchen.
Tanja weint.
Trigorin Aber wir schlafen noch nicht. Das Märchen ist noch nicht zu Ende.
Das Pferd läuft weg. Sie küssen sich.Pause.
Oleg und Tanja umarmen sich. Tanja ruft an. In den letzten Wochen hängst du ständig am Telefon. Wen rufst du an?
Tanja Einen Menschen.
Oleg Und wozu? Wenn ich fragen darf!
Tanja(für sich) Ich möchte wissen, ob der Morgen schon begonnen hat.
Pause. Simferopol.
Nastja Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich ein Haus mit Efeu finden kann?
Trigorin Was für ein Efeu um diese Jahreszeit?
Nastja Valja? Was machen Sie hier?
Trigorin Wollen wir zusammen suchen?
Sie gehen zum Meer. Es schneit.
Die Erstaufführung des Films. Roman küsst sich mit seiner Frau. Tanja bekommt einen grossen Blumenstraus geschenkt. Die Tür geht auf.
Arzt: Wer ist der Nächste?

Ende